Alle Jahre wieder … geht es nur ums Geld

Shopper mit Einkaufswagen voller Geschenke rast in Krippenszene
„Platz da, im Wüstenbasar gibt es Weihnachtsschnäppchen!“ (Urheber Wüstenszenerie im Hintergrund: brgfx Quelle: Freepik, Urheber Krippe: AnnaliseArt Quelle: Pixabay, Urheber Einkaufswagen: Burhan Khawaja Quelle: Pixabay, Urheber Explosion: OpenClipart-Vectors Quelle: Pixabay, Urheber Geschenke: macrovector Quelle: Freepik, Gesamtbildkomposition: GehtSoGarNicht)

Die Adventszeit ist die Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit. Alles ist hübsch dekoriert, es duftet nach Glühwein, Lebkuchen und Plätzchen. Man bummelt entspannt durch die geschmückten Straßen und über den Weihnachtsmarkt und genießt die Stimmung. Die Realität sieht leider in der Regel anders aus. Nahezu jedes Haus und jeder Vorgarten glitzert und blinkt aufdringlich in allen Farben. Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Läden und Märkte sind brechend voll (nicht nur von Menschen, sondern auch von Müll) und man wird mit festlicher Musik kreuz und quer dauerbeschallt – „Stille Nacht“ war gestern. Wahrscheinlich soll auch die letzte Trantüte am Smartphone mitbekommen: Es ist Weihnachten!

2020 wird aufgrund von COVID-19 alles etwas anders sein als in den letzten Jahren. Weihnachtsmärkte finden nur wenige statt. Menschenmassen wird es dank Abstandsgebot und Beschränkungen in den Läden wohl nicht geben. Und der Mund-Nasen-Schutz trägt letzten Endes auch nicht gerade zum Stimmungsaufbau bei. Aber der eine oder andere merkt bei einem Bummel durch die ruhigen Straßen vielleicht, wie schön die vorweihnachtliche Stille sein kann – besinnlich eben. Die Pandemie hat doch einen Vorteil, denn man hat mehr Zeit. So kann man innehalten und über den Sinn und Unsinn des heutigen Umgangs mit Weihnachten und der Adventszeit nachdenken.

Shopper mit Einkaufswagen voller Geschenke rast in Krippenszene
„Platz da, im Wüstenbasar gibt es Weihnachtsschnäppchen!“
(Wüstenszenerie im Hintergrund – Urheber: brgfx Quelle: Freepik, Krippe – Urheber: AnnaliseArt Quelle: Pixabay,
Einkaufswagen – Urheber: Burhan Khawaja Quelle: Pixabay, Explosion – Urheber: OpenClipart-Vectors Quelle: Pixabay,
Geschenke – Urheber: macrovector Quelle: Freepik, Gesamtbildkomposition: GehtSoGarNicht)
Kommerz ist das Ziel

Das Fest der Liebe ist zum Fest des maßlosen Konsums verkommen. Kommerz statt Kirche lautet die Devise, denn dass eigentlich die Geburt Jesu gefeiert wird, gerät immer mehr in Vergessenheit. Die Wirtschaft verlässt sich auf das Weihnachtsgeschäft und kurbelt die Kauflaune deshalb kräftig an. Nicht umsonst stehen schon im September Lebkuchen und Christstollen im Supermarktregal. Die ersten Werbetafeln und Fernsehspots mit bärtigen Männern in rotem Gewand und leuchtenden Kinderaugen beim Anblick von Spielsachen und Schokolade sieht man bereits lange vor dem Fest. Und auch auf Trauernde und Gedenkfeiern wird des schnöden Mammons wegen keine Rücksicht mehr genommen. Damit die Kasse ordentlich klingelt, werden die Weihnachtsmärkte immer eher aufgebaut und eröffnet. Und viele Läden präsentieren ganz ohne Scham ihre Weihnachtsdekoration schon vor dem Totensonntag.

Spätestens zur Black Week werden dann die Geschäfte und Online-Händler überrannt, denn es winken Schnäppchen und Rabatte an jeder Ecke. Das Weihnachtsgeschäft ist damit offiziell eröffnet. Der Pulli ist 10 % günstiger, der Fernseher gleich 20 %. Bevor einem der Kaufrausch die Sinne vernebelt, lohnt es sich aber kurz nachzurechnen. Wer nämlich auf den Kauf verzichtet – da er einen funktionierenden Fernseher und genug Pullover besitzt – kann satte 100 % sparen!

Kaufen auf Teufel komm heraus (und das zu einem christlichen Fest)

Stattdessen wird eingesackt, was der Geldbeutel oder die Kreditkarte hergeben. Immer häufiger ist selbst das Kreditlimit keine Grenze mehr. Wenn mit „Sorglos-Krediten“, 0%-Finanzierung und sofortiger Mitnahme geworben wird, vergisst manch ein euphorischer Weihnachtsshopper, das Kleingedruckte zu lesen. Die eingegangenen Kreditverträge wollen dann trotzdem monatlich abbezahlt werden.

Ob die Rabatte überhaupt von einem realistischen oder völlig überteuerten Preis ausgehen, wird kaum hinterfragt. Es gibt sogar „Experten“, die sich zum Cyber Monday extra frei nehmen, um sich den ganzen Tag beim Onlinehändler ihres Vertrauens herumtreiben zu können und kein Schnäppchen zu verpassen. Da die Spezialangebote meist nur kurzzeitig gelten, wird man zum schnellen Zuschlagen genötigt und kann leicht in eine Rabattfalle tappen. Wer etwas Geduld an den Tag legt und die Zeit lieber in Recherchen investiert, wird über das Jahr häufig viel bessere Preise bekommen.

Ein gewaltiger Nachteil des Weihnachtsgeschäftes ist auch, dass nahezu alle Firmen versuchen, ihre Neuheiten unbedingt rechtzeitig vor dem Fest auf den Markt zu bringen, um möglichst schnell große Einnahmen damit zu erzielen. Ob das Produkt wirklich fertig und komplett ausgetestet ist, spielt da leider häufig eine untergeordnete Rolle. Die Deadline muss auf Biegen und Brechen eingehalten werden. Gerade bei Computersoftware und Games leidet gern einmal die Qualität unter solchen Schnellschüssen. Wer sich Frust und Ärger zum Fest sparen will, der sollte deshalb auf brandneue Ware zunächst verzichten.

Kauf doch stattdessen einfach mal nix

Um dem ganzen Konsumwahn entgegenzuwirken, wurde in Kanada 1992 der Kauf-nix-Tag (Buy Nothing Day) ins Leben gerufen. Dieser fällt auf den Black Friday (in Europa auf den Samstag danach) und bildet den konsumkritischen Gegenpol zur gnadenlosen Schnäppchenjagd. Außerhalb von Nordamerika ist dieser Tag aber leider noch relativ unpopulär. Vielleicht erkennen viele Europäer den Sinn nicht. Was soll ein Tag des Konsumverzichts bringen, wenn spätestens am darauffolgenden Montag die Einkäufe doch sowieso nachgeholt werden? Wer aber einmal bewusst 24 Stunden oder auch länger keinen Cent ausgibt, der fängt an, bestimmte Gewohnheiten zu hinterfragen. Dadurch wird die Sichtweise darauf geschärft, welche Ausgaben wirklich nötig und welche vollkommen überflüssig sind. Wem also der ganze Konsumtrubel vor Weihnachten zu viel wird, der sollte nächstes Jahr einfach einmal statt der Black Week den Kauf-nix-Tag gebührend feiern.

Du bist, was du schenkst

Kleine, selbst gemachte Geschenke sind schon lange out. Der bissige Ladykracher-Sketch oben hatte schon vor Jahren den Finger in der Wunde. Außerdem scheinen die Schenkenden sich ständig übertrumpfen zu wollen. Möglichst viel, möglichst wertvoll und auf jeden Fall immer mehr als im Jahr zuvor. In meinem Bekanntenkreis konnte ich miterleben, wie solch ein Wettkampf unter Großeltern ausarten kann. Wenn es darum geht, die beste Oma oder der beste Opa zu sein, wird mit ganz harten Bandagen gekämpft. Wer geldmäßig nicht mithalten kann, ist schnell auf der Verliererseite.

Ca. 500 Euro plant laut einer Statista-Studie (siehe unten) durchschnittlich jeder Deutsche trotz oder gerade wegen Corona im Jahr 2020 für Weihnachtsgeschenke auszugeben, der blanke Wahnsinn! Von Bescheidenheit keine Spur, die Wunschzettel werden immer länger und so manch einer sieht sie nicht mehr als Anregung an, sondern fühlt sich genötigt, alle geäußerten Wünsche direkt zu erfüllen. Neulich hörte ich eine Mutter mit ihrer Freundin philosophieren, ob denn eine neue Spielkonsole (kostet immerhin zwischen 400 und 500 Euro) als Weihnachtsgeschenk für den jugendlichen Sprössling nicht etwas zu wenig wäre, schließlich wäre das iPhone auch schon wieder ein Jahr alt und müsste dementsprechend ersetzt werden. Dass den Heranwachsenden der Bezug zu Geld und dem Wert der Geschenke verloren geht, ist nicht verwunderlich.

Wenn die Geschenkideen ausgehen

Und dann sind da noch die erwarteten Geschenke untereinander. Viele Verzweifelte klappern noch bis auf den letzten Drücker die Geschäfte oder Onlinehändler ab. Am Ende kaufen sie dann einfach irgendetwas, nur um nicht mit leeren Händen dastehen zu müssen. Dass solche Geschenke in vielen Fällen nicht das Richtige sind und nach Weihnachten direkt zurückgegeben oder wieder verkauft werden, ist egal. Hauptsache man hat seine Pflicht erfüllt. Leider hilft in vielen Familien auch eine Aufforderung zum gemeinschaftlichen Nichtsschenken nicht weiter. Oft hält sich mindestens einer nicht daran und ist dann enttäuscht, wenn er selbst keine Geschenke bekommt. (Zitat: „Nichts heißt doch aber nicht gar nichts.“) Obwohl oft als einfallslos abgetan, sind Geld- und Gutscheingeschenke eigentlich eine feine Sache. Der Beschenkte kann selbst entscheiden, was er sich gönnen möchte und vor allen Dingen auch wann. Allerdings führen sie durch die klar erkennbaren Beträge wieder zu einem direkten Vergleich, bei dem keiner hinterherhinken möchte. Und wenn annähernd identische Beträge hin und her wechseln, stellt man den Sinn des ganzen Schenkens erst recht in Frage.

Noch ein letzter Punkt zu den Geschenken: Es sieht zwar schön aus, aber bitte verzichtet der Umwelt zuliebe auf das zusätzliche Einpacken der Geschenke, oder nutzt Geschenkpapier zumindest mehrfach. Nach Weihnachten landen rund 10 % mehr Papierverpackungen im Müll. Leider wird aber nur ein geringer Teil des Geschenkpapiers wirklich aus recycelten Rohstoffen gewonnen.

Statt des kleinen Fingers die ganze Hand

Weihnachten ist auch traditionell das Fest der Nächstenliebe. Deshalb appellieren gerade in der Vorweihnachtszeit alle an das Mitgefühl der Menschen. Ob die Spendengala im Fernsehen oder die adressierte Briefpost – Geben ist seliger denn Nehmen. An sich eine feine Sache, würden sich nicht auch jede Menge Betrüger dieses Mottos annehmen. In den Innenstädten sind gerade zu Weihnachten oft falsche Spendensammler mit traurigen Bildern und Zeitungsverkäufer für die Obdachlosenhilfe unterwegs, die nur ihre eigenen Taschen füllen. Auch bei Spendenaufrufen über direkte Anschreiben oder besuchte Seiten im Internet sollte man vorsichtig sein. Es empfiehlt sich immer, sich vor einer Spende über die Seriosität der Unternehmen zu informieren. Tipps dazu finden sich im unter den Quellen verlinkten Artikel von Ruhr24.

Eine Unsitte, die sich selbst bei seriösen Hilfsorganisationen schon eingeschlichen hat, möchte ich hier noch erwähnen. Eine einmalige Spende führt in letzter Zeit häufig dazu, dass man gerade vor den Festtagen immer wieder angeschrieben wird. Anstatt eines leeren Überweisungsträgers, den man nach eigenem Ermessen ausfüllen kann, liegt gleich ein bereits vorausgefüllter Dauerauftrag bei. Diesen braucht man nur noch zu unterschreiben, und schon ist man eine Fördermitgliedschaft eingegangen. Gerade ältere Menschen werden mit dieser Masche überrumpelt und zu einer monatlichen Zahlung genötigt, die sie bei entsprechenden Wahlmöglichkeiten gar nicht in Betracht gezogen hätten. Besonders fatal: Das stetig fließende Geld bei Fördermitgliedschaften kommt laut Verbraucherzentrale meist keinen Hilfsprojekten zugute, sondern wird zur Finanzierung der Werbung und der internen Verwaltung verwendet.

Achtet auch im vorweihnachtlichen Stress auf euer Geld und lasst euch nicht über den Tisch ziehen. Im Zweifelsfall hilft oft einfach „Nein“ zu sagen. Wir wünschen allen Lesern besinnliche und ruhige Festtage, auch wenn sie dieses Jahr anders als sonst verlaufen sollten.

Weiterführende Artikel

Hundert2Grad – Blogbeitrag zum weihnachtlichen Konsumwahnsinn

Quellen

Statista – Statistik zur Entwicklung der geplanten Ausgaben für Weihnachtsgeschenke in Deutschland
Wikipedia – Artikel zum Black Friday
Wikipedia – Artikel zum Kauf-nix-Tag
Utopia – Blogbeitrag zum Kauf-nix-Tag 2020
Verbraucherzentrale – Weihnachtsshopping: Vorsicht Kredit!
Die Zeit – Was Weihnachten anrichtet
Ruhr24 – Artikel zur Spenden-Abzocke zu Weihnachten

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