Wie weit darf Klimaprotest gehen?

Farbattacke zum Tag der Industrie (19.06.2023) an der Verti Music Hall in Berlin
Farbattacke zum Tag der Industrie (19.06.2023) an der Verti Music Hall (Quelle: Letzte Generation – frei verwendbare Pressebilder)

Seit Greta Thunberg tut sich was in Sachen Klimaschutz. Die Schwedin brachte im Jahr 2018 auf den Punkt, was zwar in der Politik immer mal wieder diskutiert, aber nie richtig beachtet wurde: Die Welt ist in Gefahr! Schleichend kommt sie, die Erderwärmung. Sie bringt heiße Sommer und Starkregen. Es gibt Wasserknappheit und Missernten. Tropische Insekten verbreiten hierzulande Krankheiten, die sonst nur in Afrika oder Asien auftraten. Mit ihren „Schulstreiks für das Klima“ rüttelte die Aktivistin besonders die jungen Menschen wach. Was sie als einzelne Klimastreikerin startete, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Weltweit gingen freitags Schüler für die Zukunft auf die Straße und die Fridays-for-Future-Bewegung (FFF) kam ins Rollen. Und plötzlich war das Thema Klimaschutz in aller Munde!

„Wir Kinder tun oft nicht das, was ihr Erwachsenen von uns verlangt. Aber wir ahmen euch nach. Und weil ihr Erwachsenen euch nicht für meine Zukunft interessiert, werde ich eure Regeln nicht beachten.“
Flugblatt von Greta Thunberg

Farbattacke zum Tag der Industrie (19.06.2023) an der Verti Music Hall in Berlin
Farbattacke zum Tag der Industrie (19.06.2023) an der Verti Music Hall (Quelle: Letzte Generation – frei verwendbare Pressebilder)

So lobenswert und mutig ihre Einstellung auch war, Greta Thunberg trat in der Öffentlichkeit sehr forsch auf. Sie ermutigte ihre Zuhörer nicht nur zum Handeln, sondern forderte zivilen Ungehorsam. Außerdem verwies sie in ihren Reden immer wieder darauf, dass das Klima keine Kompromisse dulde. Es ist also wenig verwunderlich, dass sich auch radikalere Gruppierungen bildeten, denen Streiks und Demos nicht weit genug gingen.

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Man kann nicht sagen, dass die weltweiten Proteste nur ein Strohfeuer waren, das am Ende zu nichts geführt hat. Mittlerweile kommt auch politisch Bewegung in die Sache, zumindest in Ländern, in denen nicht gerade Klimaleugner:innen an der Macht sind. Seit 2021 haben wir in Deutschland eine Ampelregierung, die sich die Energiewende auf die Fahnen geschrieben hat. Da die Grünen aber nur ein Drittel der Koalition bilden und die FDP teilweise vollkommen konträre Ansichten vertritt, ist es nicht immer einfach, klimapolitische Entscheidungen zu treffen. Hinzu kommt die schwierige weltpolitische Lage mit ihren aktuellen Krisen und Kriegen. Das Gebäudeenergiegesetz oder auch das Deutschlandticket sind aber zumindest Ansätze in die richtige Richtung, auch wenn dafür noch dringender Verbesserungsbedarf besteht.

Die Proteste werden trotz dieser zaghaften Fortschritte aber immer lauter. Schulstreiks waren gestern. Während Greta Thunberg und Fridays For Future neuerdings eher anderweitig für Schlagzeilen sorgen, treibt die Letzte Generation den zivilen Ungehorsam auf die Spitze und setzt bei ihren Aktionen bewusst auf die Holzhammermethode. Dazu zählen u. a. Sitzblockaden auf Autobahnen oder Flughafenrollfeldern. Großes Aufsehen erregte die Besetzung des Braunkohletagebaus in Lützerath im Januar 2023, bei der übrigens auch Greta Thunberg anwesend war. Dazu kommen Sachbeschädigungen, sei es durch Festkleben an unersetzlichen Kunstwerken oder das Beschmieren öffentlicher Gebäude und symbolträchtiger Wahrzeichen wie dem Brandenburger Tor oder der Berliner Weltzeituhr. Multimediale Aufmerksamkeit ist das wichtigste Ziel, und das muss scheinbar um jeden Preis erreicht werden.

Heiligt der Zweck wirklich die Mittel?

Klimaaktivisten rechtfertigen ihre Aktionen immer wieder damit, dass ihnen keine andere Möglichkeit mehr bleibt, als die Politiker mit drastischen Maßnahmen zum Handeln zu bewegen. Gegen aufsehenerregende Aktionen gibt es an sich nichts einzuwenden, aber eine rote Linie wird überschritten, wenn Aufmerksamkeit durch mutwillige Zerstörungen und Schmierereien erreicht werden soll. Aber der Letzten Generation scheinen tatsächlich alle Mittel recht zu sein.

Wer auf Missstände aufmerksam machen will, dem stehen viele harmlosere Möglichkeiten offen. Neben Demonstrationen und Protestmärschen können Plakate und Transparente auch an Wahrzeichen oder markanten Gebäuden angebracht werden, solange sie sich problemlos wieder entfernen lassen. Mit einer Festkettung an symbolträchtigen Orten kann man ebenfalls auf das Problem aufmerksam machen, ebenso mit Sitz- und Hungerstreiks. Sachbeschädigungen gehen aber eindeutig zu weit. Das ist keine Kunst und keine freie Meinungsäußerung mehr, sondern schlicht und einfach Vandalismus. Und das geht so gar nicht!

Zur Rechtfertigung der Farbattacken bringen Klimaschützer an, dass der Klimawandel die Bauwerke sowieso bald zerstören wird. Wer etwas weiter denkt, erkennt die Gefahr hinter diesem Argument. Der Klimawandel wird irgendwann in ferner oder nicht so ferner Zukunft auch z. B. Überschwemmungen, Ernteausfälle und Todesopfer verursachen. Extreme Fanatiker könnten mit ähnlichen Phrasen also auch Terroranschläge und Morde entschuldigen: „Die Opfer wären doch durch den Klimawandel sowieso bald draufgegangen.“

Wir wollen hier die Klimaaktivisten keinesfalls allesamt mit Terroristen der RAF oder ähnlichen Gruppierungen auf eine Stufe stellen, sondern nur auf den gefährlichen, schmalen Pfad aufmerksam machen, auf dem sich die Letzte Generation aktuell bewegt. Die Geschichte zeigt, dass man trotz hehrer Ziele leicht vom Weg abkommen und tief abstürzen kann.

Die Folgen der radikalen Klimaproteste

Leider betrachten zu viele Menschen den „Widerstand“ der Letzten Generation durch die romantisch verklärte Brille. Deshalb hier noch einmal die rechtliche Einordnung klipp und klar: Sachbeschädigung ist eine Straftat. Laut § 303 Strafgesetzbuch kann es dafür bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder alternativ Geldstrafen geben. Straßenblockaden scheinen auf den ersten Blick dagegen harmlos zu sein. Sie stellen aber einen Eingriff in den Straßenverkehr dar und können rechtlich gesehen u. U. als Nötigung gewertet werden. Solche Aktionen sind zudem gefährlich und zwar nicht nur für die Streikenden, sondern auch für die Autofahrer. Gerade auf Autobahnen können leicht Unfälle verursacht werden und sei es nur durch Unachtsamkeit am Stauende.

Schon Demonstrationen verursachen Kosten, da (besonders bei befürchteten Ausschreitungen) ein großes Polizeiaufgebot zugegen sein muss. Sitzstreiks aufzulösen ist noch einmal deutlich zeit- und kostenintensiver. Wenn sich die Aktivisten zusätzlich noch festkleben (was ihnen den Namen „Klimakleber“ bescherte), kann es mitunter Stunden dauern, bis alle wieder befreit worden sind. Da die Polizei den normalen Sekundenkleber inzwischen schnell wieder lösen kann, verwenden die Streikenden neuerdings ein Klebstoff-Sand-Gemisch, das ähnlich hart wie Beton wird. Sie müssen dann mit schwerem Gerät vom Boden gelöst werden, wodurch auch die Straße selbst in Mitleidenschaft gezogen wird (womit wir wieder bei der Sachbeschädigung sind).

Die hier in Deutschland ohnehin unterbesetzten Ordnungshüter sind für die Dauer der Proteste gebunden und können sich nicht um andere, vielleicht dringendere Angelegenheiten kümmern. Die Beseitigung der Farbattacken und die Reparatur beschädigter Objekte und Straßen kostet ebenfalls eine Menge Geld. Und die Zeche zahlt am Ende der Steuerzahler! Die Klimaschützer erweisen der Umwelt wirklich einen Bärendienst, denn mit all dem verschwendeten Steuergeld können dann auch keine Klimaprojekte mehr finanziert werden.

Der Ton macht die Musik

Die Motivation der Aktivisten ist nachvollziehbar. Es steht fest, dass deutlich mehr getan werden muss, als das aktuell der Fall ist. Auch wir befürworten beispielsweise die Forderung nach einem dauerhaften 9-Euro-Ticket, um Bahnfahren für alle attraktiv zu machen, und einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Denn die Auswirkungen des anthropogenen (menschengemachten) Klimawandels sind schon heute deutlich zu erkennen. Doch die immer radikalere Art der Proteste und die Ignoranz der entstehenden Schäden bereitet uns Sorgen.

Die aggressive Grundstimmung ist erschreckend. Selbst in Interviews geben sich die Befragten nicht nur kämpferisch, sondern auch stur. Es entsteht der Eindruck, dass sie zwar viel fordern, sich aber wenig Gedanken um die Umsetzung machen. Und das verursacht Unmut. Ein sachlicher Umgangston, konstruktive Ideen oder die aktive Mitarbeit an Klimaprojekten würden vielleicht ein anderes Licht auf die Aktivisten werfen. Denn jede Hilfe ist wertvoll und wichtig, wogegen Blockaden und Zerstörungen keinen Nutzen haben. Gerade bei Letzteren könnten die Missetäter sogar positiven Medienrummel erfahren, wenn sie sich zum Beispiel freiwillig bei der Beseitigung ihrer „Kunstwerke“ engagieren, aber so weit gehen die verblendeten Streiter für die Umwelt dann doch nicht.

Quellen

Wikipedia – Artikel zu Greta Thunberg
Wikipedia – Artikel zur Letzten Generation
Tagesspiegel – Demos für mehr Klimaschutz: Die Jungen kämpfen für ihre Zukunft
Tagesschau – Finanzierung, Ziele, Hintergründe: Das ist die „Letzte Generation“
TAZ – Klimaproteste in NRW: Aktivisten unterwegs nach Lützerath
ZDF – Klimaprotest am Flughafen München und BER
rbb24 – „Letzte Generation“ beschmiert Weltzeituhr mit oranger Farbe
news38 – Braunschweig: „Letzte Generation“ legt Verkehr mit „Betonhänden“ lahm
Die Welt – Der gefährliche Wahn der „Letzten Generation“ und die große Frage nach den Folgen
Gesetze im Internet – Strafgesetzbuch § 303
Legal Tribune Online – Gastbeitrag zur rechtlichen Einordnung von Autobahnblockaden: Die wilde Seite der Demokratie
DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft) – Artikel zu den Kosten für Polizeieinsätze bei verbotenen Demonstrationen
Augsburger Allgemeine – Interview mit Lea Bonasera, einer Mitbegründerin der „Letzten Generation“

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