Internetwerbung Teil 2: Das Wettrüsten im Netz

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Wie im ersten Teil dieser Artikelreihe bereits geklärt, ist das Nutzen von Werbeblockern keine Schande. Eigentlich sollte sich jeder vor der ständigen Belästigung durch Reklame schützen. Im Prinzip ist dies vergleichbar mit dem Aufkleber am Briefkasten (siehe Briefkasten oder Werbekasten, das ist hier die Frage), der den Einwurf von Prospekten und dergleichen verhindert. In einem BGH-Urteil (Az. VI ZR 182/88) heißt es hierzu: „Anders verhält es sich indes, wenn […] der Empfänger ausdrücklich zu erkennen gibt, dass er derartiges Werbematerial nicht zu erhalten wünscht. Eine solche Willensäußerung verlangt grundsätzlich Beachtung durch den Werbenden. Das folgt aus dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen, das sich gegenüber dem Interesse des Unternehmens an der Werbung durchsetzt. Dem Empfänger steht einmal als Haus- oder Wohnungseigentümer bzw. -besitzer aus §§ 1004, 903, 862 BGB das Recht zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen.“ 1

Für den eigenen PC und das eigene Smartphone sollten eigentlich dieselben Regeln gelten. Auch die digitalen Endgeräte sind erworbene Gegenstände und gehören letztendlich zur „räumlich-gegenständlichen Sphäre“ des Betroffenen. Leider akzeptieren aber die Werbetreibenden die Willensäußerung in Form eines eingesetzten Werbeblockers nicht. Stattdessen führte die Entwicklung solcher Tools zu einer Art Wettrüsten im Netz.

Wenn die Filterung zum Geschäft wird

Hilfsprogramme, die Internetwerbung ausfiltern, gibt es schon seit einer geraumen Zeit. Bereits im Dezember 1998 erschien der erste Werbeblocker für den PC mit dem Namen Webwasher auf dem Markt. Während die Fachpresse begeistert war, gingen eine ganze Reihe von Websitebetreibern auf die Barrikaden. Sie beschwerten sich u. a. über angebliche Urheberrechtsverletzungen (obwohl sie selbst nur in einer verschwindend geringen Anzahl von Fällen die Urheber der ausgeblendeten Werbeanzeigen waren) und versuchten den Anwendern ein schlechtes Gewissen einzureden, indem sie sie als Schnorrer oder Schmarotzer denunzierten.

2006 erschien Adblock Plus von der Eyeo GmbH, eine einfache Browsererweiterung, die über Filterregeln Werbeanzeigen aus Webseiten entfernt, ohne sie überhaupt erst auf das Endgerät herunterzuladen. Das Tool wurde schnell zum beliebtesten und meistgenutzten Werbeblocker. Leider entschied Eyeo 2011, „akzeptable“ Werbung standardmäßig zuzulassen. Dabei handelt es sich laut der Eigendefinition um harmlose Anzeigen ohne Animation, Sound oder aufdringliche Bilder. Es ging der Firma aber nur plakativ um die Unterstützung von seriösen Webseiten, die nur minimal Werbung einsetzen. Vielmehr zeigte sich nur zwei Jahre später, dass der eigene Profit die treibende Kraft war. 2013 stellte sich nämlich heraus, dass man sich einen Platz auf der Whitelist des Werbeblockers für teuer Geld erkaufen kann. Adblock Plus betätigte sich nicht mehr als Sperre, sondern eher als Türsteher. Große Konzerne wie Google, Amazon und Microsoft zahlten Millionenbeträge dafür, dass sie die Anwender weiter mit Werbung belästigen durften, sei sie nun harmlos oder nicht.

Adblocker vor Gericht

Eyeo rechtfertigte diese Vorteilsnahme als eine Aufwandsentschädigung für die Pflege der Whitelist. Das war ziemlich offensichtlich nur ein Vorwand, da es sich dabei nur um eine simple Liste von Webseiten handelt. Viel mehr Aufwand steckt in der Pflege der Filter, die weltweit Millionen von Werbeanzeigen aussortieren. Inzwischen ist diese Liste schon auf eine Größe von mehreren Megabyte reinen Textformats angewachsen. Es liegt also die Vermutung nahe, dass das Geld eher in die Verfeinerung der Werbefilter gesteckt wird, um noch mehr Unternehmen zur Zahlung zu gängeln.

Wie auch immer man das Vorgehen von Eyeo betrachtet, ein Interessenkonflikt besteht allemal, wenn der Anbieter die Grundfunktionalität seines Programms selbst unterhöhlt. Außerdem konnten sich die horrenden Kosten nur wirklich große Unternehmen leisten. Es wurde also nicht mehr nur Werbung ausgeschaltet, sondern in erster Linie auch die weniger zahlungskräftige Konkurrenz. Als Folge gab es eine ganze Reihe von Klagen, hierzulande besonders durch Medienunternehmen wie Axel Springer SE, ProSiebenSat.1 Media SE, Spiegel-Verlag und Süddeutsche Zeitung. Man warf Eyeo unlauteren Wettbewerb, Wettbewerbsbehinderung und sogar einen Verstoß gegen die Pressefreiheit vor, scheiterte damit aber auch in der höchsten Instanz.

Natürlich sorgen Werbeblocker dafür, dass das Medium nicht exakt so beim Leser ankommt, wie der Verleger es sich gedacht hat. Eine Gewissheit über die Darstellung gibt es aber sowieso nicht. Unterschiedliche Browser, installierte Erweiterungen und Einstellungen des Nutzers gerade in Bezug auf JavaScript können das Medium ebenfalls verändern. Gleiches gilt auch für die eventuelle Filterung von erwünschten Inhalten, die zur Einschränkung des Funktionsumfangs von Webseiten führen.

Blockieren, drohen und jammern
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Obwohl Adblocker seit 2018 ein rechtlich legitimiertes Mittel sind, die eigenen Endgeräte vor Werbung zu schützen, heißt das noch lange nicht, dass der Werbeflut im Internet damit Einhalt geboten wurde. Stattdessen gingen viele Webseitenbetreiber dazu über, ihre Nutzer zu drangsalieren oder gar komplett auszusperren. Wer Werbeblocker nutzt, kennt sicher die nervigen Anti-Adblock-Einblendungen. Dabei handelt es sich um mehr oder minder freundliche Aufforderungen, die Adblocker doch für die gerade besuchte Seite zu deaktivieren. (Junge) Katzen waren dabei ein beliebtes Stilmittel, da sie mit ihren großen, flehenden Augen angeblich den Betrachter zugänglicher für die Botschaft machen. Manche Seiten gingen (wie das Beispiel oben zeigt) viel zu weit und betätigten sich gar als Erpresser oder Terroristen.

Mit diversen Anti-AntiAdblock-Tools lässt sich die eine oder andere Hürde dennoch überwinden. Heute gibt es sogar spezielle Filterlisten in den gängigen Werbeblockern, die den unerwünschten Einblendungen ein Ende bereiten. Webseitenbetreiber und Werbeblocker liefern sich, wie man sieht, ein immerwährendes Wettrüsten, was natürlich Unmengen an Kosten verursacht. Leider habe ich noch keine betreffenden Studien zu diesem Thema gefunden. Rein logisch betrachtet, sollten aber selbst große Medienunternehmen sehr viel Geld und Zeit (die ja bekanntlich auch Geld ist) sparen können, wenn sie auf all diesen Firlefanz verzichten. Stattdessen versuchen sie lieber, die Ausgaben für die Umgehung von Werbeblockern wieder durch noch mehr Werbung hereinzubekommen – ein ewiger Teufelskreis.

Werbung, gegen die auch kein Blocker hilft

Auch wenn Werbeblocker ständig aktuell gehalten werden und anonymisierte Server mit Werbefiltern wie eine Firewall alle bekannten Anzeigen ausfiltern, so gibt es doch immer noch Möglichkeiten, Werbung durchzumogeln. Auf Nachrichtenseiten findet man häufig die Variante, dass sich zwischen jeder Menge (je nach Anbieter mehr oder minder) seriöser Artikel auch Werbenews verstecken. Wenn es sich um Fremdfirmen handelt, sind diese meist noch klein als Anzeige markiert, sodass der aufmerksame Leser einen Klick darauf vermeiden kann. Eigenwerbung dagegen muss nicht hervorgehoben werden und diese ufert auf manchem Nachrichtenportal ebenfalls aus. Als Beispiel sei hier auf den Web.de-Screenshot im ersten Teil unserer Artikelreihe verwiesen.

Während immer mehr seriöse Artikel hinter Bezahlschranken (neudeutsch Paywalls) verschwinden, werden freie Artikel immer werbelastiger und unseriöser. Im Computerbereich seien hier zum Vergleich die Seiten von ComputerBild und c’t angeführt. Neben einer Vielzahl an reinen Werbeartikeln wie „Bei … jetzt im Angebot …“ stolpert man bei ComputerBild auch über viele Texte mit einem Übermaß an eingebetteten Anzeigen und Werbelinks (sowohl Eigenwerbung als auch Links zu Internetshops). Teilweise findet man sogar Artikel, die so wirken, als wären sie speziell für die Platzierung der Reklame umgeschrieben worden. Gegen solche Textwerbung ist jede Blockiersoftware machtlos, genau wie gegen die direkt in den Stream hineingeschnittenen Werbespots, die von freien Streaminganbietern wie Joyn und TV Now/RTL + verwendet werden.

Der Weg ins Premium-Internet

Während in den Anfängen des Internets die Werbung noch zur reinen Refinanzierung kleiner Websites dienen sollte, haben die großen Platzhirsche heute anderes vor. Sie nutzen immer exzessivere Werbung, um Nutzer in Premium-Abomodelle zu gängeln. Oben genannte Streaminganbieter sind ein gutes Beispiel, aber auch YouTube nervt immer mehr mit Werbeanzeigen innerhalb von Videos. Hier ist ein schönes Satirevideo zum Thema, das ihr euch mit Werbeblocker hoffentlich ohne Unterbrechung anschauen könnt.

Viele Onlinepublikationen sind sogar schon einen Schritt weiter. Die meisten Artikel lassen sich auch ohne Werbeblocker nicht mehr kostenlos lesen. Die bereits erwähnten Paywalls zeigen, wie sich Unternehmen das Internet der Zukunft vorstellen. Statt freier Verfügbarkeit von Informationen muss man für jede Recherche erst einmal Abonnements bei zig Websites eingehen, weil Bezahlungen für Einzelabrufe gar nicht erst vorgesehen sind. Da Quellenangaben aber auch für Blogger und freie Journalisten wichtig sind, werden immer mehr Websites mit kostenlosen Angeboten aufgeben müssen. Wenn sich Paywalls dann erst einmal überall durchgesetzt haben, wird dann als nächster Schritt wieder Werbung trotz Bezahlung eingeschlichen werden, wie es bei manchen Pay-TV- und Streamingunternehmen bereits versucht wurde (Sky, Amazon, YouTube Premium).

Dabei gibt es auch faire Varianten. Anstatt nur Abonnenten durchzulassen, bieten einige wenige Websites einen zeitweisen freien Zugriff, wenn man sich vorher ein Werbevideo anschaut. Dies ist ein guter Kompromiss, denn der Internetnutzer wird nicht übermäßig mit Anzeigen zugeballert, muss sich nicht über im Text eingebaute Werbung ärgern und kann trotzdem die gewünschten Inhalte vollständig ansehen.

Fazit

Werbeblocker sind eine gute Lösung für alle, die ohne Ablenkung im Internet surfen wollen. Meist kommen sie als Plug-in für den Browser, kosten nichts und lassen sich je nach Anbieter mehr oder weniger gut an die persönlichen Vorlieben anpassen. So verschwinden lästige YouTube-Spots, Overlays, Popups o. Ä. mehr oder weniger zuverlässig. Ob man Adblock Plus trotz all der Kontroversen um das Geschäftsmodell weiter nutzen will, muss dabei jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich nutze eine Kombination aus serverseitiger Werbefilterung und dem Werbeblocker uBlock Origin. Wie man diese am besten einrichtet, könnt ihr im angehängten Tutorial unten nachlesen.

Schwieriger sieht die Sache bei den beliebten Apps aus. Zwar gibt es auch Werbeblocker für Smartphones, Tablets und Streaminggeräte, aber die Apphersteller haben wesentlich bessere Möglichkeiten, Werbung so einzubinden, dass sie nicht ausgefiltert werden kann. Deshalb empfiehlt es sich für Werbemuffel, nur wirklich nötige Apps zu verwenden und so oft es geht auf den normalen Browser oder direkt an den PC auszuweichen.

Gegen Premiumdienste und Paywalls lässt sich kaum etwas unternehmen, hier hilft oft nur die „Entscheidung mit den Füßen“. Egal, womit auch gelockt werden mag, man sollte sich nicht zu überflüssigen Abos überreden lassen. Es gilt immer genau zu prüfen, ob man die entsprechende Seite monatlich oft genug nutzt, sodass sich das Abo lohnen würde. Nur für Werbefreiheit zu bezahlen ist wenig sinnvoll, denn sie ist nie in Stein gemeißelt und fällt im Notfall als Erstes wieder weg.

Weiterführende Links

Internetwerbung Teil 1: Warum niemand ohne Werbeblocker surfen sollte
Tutorial: In wenigen Schritten zum werbefreien Internet
„Schatz, die Werbung wird schon wieder durch einen Film unterbrochen“
Briefkasten oder Werbekasten, das ist hier die Frage
Sky-Fall(e): Mit der Lizenz zum Gängeln
KonSumpf – Artikel aus der „Werbung schadet“-Reihe, der sich mit der Vermischung von Reklame und redaktionellen Beiträgen befasst (hier hauptsächlich auf Printmedien bezogen)

1 … Schreibfehler im Zitat wurden korrigiert

Quellen

Kanzlei Prof. Schweizer – BGH, Revisionsurteil vom 20. Dezember 1988, VI ZR 182/88
Wikipedia – Artikel zu Werbeblockern
Wikipedia – Artikel zum Webwasher
FAZ – Artikel zu den Kontroversen um Adblock Plus
Watson.ch – Artikel zu den Kontroversen um Adblock Plus
FAZ – Artikel zum Urteil des Bundesgerichtshofs zu Adblockern 2018
WinFuture – Artikel zu angeblich durch einen Fehler gesendeten Werbespots mitten in Filmen bei Amazon Prime

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