In unserem Artikel zu den Problemen im öffentlichen Nahverkehr hatten wir bereits positive Beispiele aus dem Ausland genannt. Doch nicht überall erleben Reisende eine solch kundenfreundliche Verkehrspolitik, die zum Umsteigen auf Busse und Bahnen animiert. Mancherorts nutzen Verkehrsunternehmen alle Möglichkeiten aus, um sich besonders an Ortsunkundigen und Touristen zu bereichern. Wir mussten eine derartig enttäuschende Erfahrung vor einigen Jahren mit der ÖBB, dem österreichischen Pendant zur Deutschen Bahn, machen.
Gut vorbereitet in den Urlaub – aber nicht gut genug
Wir reisen niemals unvorbereitet. Bevor es in ein anderes Land geht, informieren wir uns gründlich über alle Besonderheiten – von Zöllen und empfohlenen Impfungen über Sicherheitsbestimmungen bis hin zu Verkehrsregeln. All diese Informationen sammeln wir auf Webseiten des Auswärtigen Amts, bei Automobilclubs, auf Reiseportalen und aus Erfahrungsberichten von Urlaubern. Wenn wir mit dem eigenen Auto oder einem Mietwagen unterwegs sind, suchen wir außerdem gezielt nach Parkmöglichkeiten für unsere Tagesziele. Schließlich ist nichts stressiger und umweltschädlicher als das stundenlange Umherfahren auf der Suche nach einer Abstellmöglichkeit.
Park-and-Ride-Flächen (kurz P+R) sind in der Regel die ideale Lösung. Man kann sein Gefährt kostenlos oder zumindest kostengünstig abstellen und bequem mit einem beliebigen Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs weiterfahren. Wenn man Ticketkosten sparen will, kann man auch ein mitgebrachtes Fahrrad nutzen, um in die Innenstadt zu gelangen. Bei günstiger Lage ist es sogar häufig möglich, zu Fuß die Stadt zu erkunden. Dafür sollte man aber Zeit und genügend Kondition mitbringen. Mit P+Rs entlastet man nicht nur Innenstädte und Umwelt, sondern schont auch die eigenen Nerven. Deshalb sind sie in fremden Städten immer unsere erste Wahl.
Die Kostenfalle in St. Pölten
Wir waren positiv überrascht, als wir bei der Planung eines kurzen Zwischenstopps in St. Pölten ein P+R-Parkhaus direkt am zentralen Bahnhof entdeckten. Von dort konnte man laut Streckenberechnung bequem die Innenstadt zu Fuß erreichen, ein paar Sehenswürdigkeiten besichtigen und eine Kaffeepause einlegen. In gängigen Park-Apps und verschiedenen Erfahrungsberichten wurde das Parkhaus als kostenfreie Parkmöglichkeit beschrieben. Deshalb setzten wir es auf unsere Liste und steuerten es in St. Pölten direkt an.
Allerdings wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das betreffende P+R-Parkhaus Privatgelände der ÖBB ist. Deshalb ist das Parken dort schon seit Jahren eigentlich nur zum Weiterreisen mit der Bahn mit einem gültigen ÖBB-Ticket erlaubt. Ein für uns ziemlich befremdliches Konzept, schließt es doch die Nutzung anderer ÖPNV-Verkehrsmittel aus. Dadurch ist es für Pendler und Touristen, die mit dem Bus oder zu Fuß in die Stadt wollen, völlig ungeeignet.
Eine Zeitlang spielte das keine Rolle, denn es gab keine Ticketkontrollen. Das dürfte auch der Grund sein, warum das Parkhaus im Internet als kostenfrei geführt wurde. Leider hatte die ÖBB es aber kurz vor unserem Urlaub im August 2022 im großen Stil umgebaut. Um Falschparker fernzuhalten oder gezielt zur Kasse zu bitten, wurde es mit Kennzeichenüberwachung per Kamera, einer Ampel und einem Ticketautomaten ausgestattet. Für eine klare und eindeutige Beschilderung reichte dann aber anscheinend das Geld nicht mehr aus. Stattdessen wurde das ganze System (bewusst?) intransparent gestaltet – fast als ob man Ortsunkundige und Touristen absichtlich in eine teure Falle locken möchte.
Intransparenz als Abzockstrategie?
Es geht schon damit los, dass an der Einfahrt ein eindeutiger Hinweis fehlt, dass das Parkhaus nur für ÖBB-Kunden gedacht ist. Ein simples, gut sichtbares Verkehrszeichen ähnlich dem oben abgebildeten könnte hier viel Ärger verhindern. Aber darauf wurde wohl bewusst verzichtet. Auf der Schilderbrücke über der Einfahrt sucht man ebenfalls vergeblich nach irgendeinem Hinweis auf einen Kundenparkplatz. Dabei ist eine aussagekräftige Beschilderung in Österreich und auch bei der ÖBB durchaus nicht unüblich (Beispiele dafür: siehe hier).
An der Ein- und Ausfahrt befinden sich zudem keine Schranken. Dadurch verstärkt sich der Eindruck, dass das Parken hier wie auf anderen P+Rs kostenlos ist. Es existiert im Inneren des Gebäudes zwar durchaus ein Automat zum Einscannen des Tickets. Dieser ist aber so versteckt positioniert, dass man ihn von außen nicht als solchen identifizieren kann. Ihr könnt euch gern bei Google Street View selbst überzeugen. Zumindest zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels (Ende 2024) hat sich an all diesen ungünstigen Gegebenheiten immer noch nichts geändert.
Ganz uninformiert konnte man die ankommenden Parkgäste dann aber doch nicht lassen. Also hat man zumindest auf einer Verkehrsinsel direkt neben dem Eingang zum Parkhaus eine Infosäule installiert (siehe nebenstehendes Bild). Wir bemerkten sie zum Glück und unser Blick fiel auch direkt auf einen Kosten-Bereich, der uns stutzig machte. Löblicherweise ist dieser zumindest genau so positioniert, dass er sich direkt auf Sichthöhe des Fahrers befindet. Allerdings wurden die Informationen auf der gesamten Säule und besonders in diesem Bereich vollkommen unlogisch zusammengestellt.
Wie man wichtige Informationen am besten versteckt
So erfährt man als Erstes nicht etwa, dass das Parken ohne ein ÖBB-Ticket nicht erlaubt ist und sehr teuer wird. Dies steht an anderen Stellen auf der Tafel, aber eben nicht dort, wo man es vermuten würde. Stattdessen liest man im ersten Punkt unter Kosten nur: Kostenlos 1. bis 5. Tag ununterbrochener Nutzung. Mit nur drei Wörtern mehr – nämlich mit gültigem ÖBB-Ticket – hätte man alle Missverständnisse vermeiden können. Wer diesen Satz aber so liest, der freut sich über eine kostenlose Parkmöglichkeit für alle und fährt guten Gewissens ein. Wenn nicht gerade ein weiteres Auto von hinten drängelt, liest man evtl. noch – wie wir damals – den zweiten Absatz, der die Kosten bei 6- bis 10-tägiger Nutzung auflistet. Spätestens danach ist man sich aber sicher, dass alle weiteren Klauseln nur für zahlungspflichtige Langzeitparker von Interesse sind.
Dabei sind die nächsten Punkte gerade die wichtigsten auf der ganzen Säule. Hier folgt nämlich nach der maximal möglichen Parkdauer unter ferner liefen und nicht einmal speziell hervorgehoben die Erläuterung, dass man bei Ausfahrt aus dem Parkhaus ein aktuelles und gültiges ÖBB-Ticket vorzeigen muss. Tut man dies nicht, muss man nicht nur 50 Euro Vertragsstrafe pro Tag bezahlen. Dazu kommen noch die Gebühren für die Kennzeichennachverfolgung (damals 35 Euro), wenn man das Parkhaus verlässt, ohne am Automaten die Strafe zu begleichen. Alternativ kann man sich innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums melden, um seine Schulden ohne kostenpflichtige Verfolgung nachzubezahlen.
Für ahnungslose Besucher führt diese Gestaltung fast zwangsläufig zu einem teuren Missverständnis. Wer einmal der Meinung ist, hier kostenlos zu parken, der hat eigentlich schon verloren. Selbst, wenn er den unauffälligen Automaten wahrnimmt, deutet er diesen als die Bezahlmöglichkeit für die Langzeitparker. Wie bereits erwähnt, fehlt auch an der Ausfahrt eine wichtige Schranke, die so lange geschlossen bleibt, bis man am Automaten ein Ticket vorgezeigt oder bezahlt hat. Die einzige Warnung für den Autofahrer ist eine rote Ampel. Wenn man aber ohnehin von kostenlosem Parken ausgeht, kann man diese durchaus als Fehlfunktion interpretieren. Es gibt ja auch keinerlei ÖBB-Mitarbeiter in der Nähe, die den Irrtum aufklären könnten.
Wie die Sache für uns ausging
Zurück zu unserem Urlaub: Wir stellten also unser Auto im Parkhaus vermeintlich kostenfrei ab. Als wir nach etwa zwei Stunden aus der Stadt zurückkamen, sahen wir zufällig einen anderen Parkgast, der an dem unauffälligen Automaten vor der Ausfahrt ein Dokument scannte. Das gab uns zu denken. Skeptisch lasen wir die Infotafel noch einmal genauestens durch und entdeckten unseren fatalen Irrtum. Die Illusion vom kostenlosen Parken zerplatzte wie eine Seifenblase.
Natürlich war die Karenzzeit inzwischen abgelaufen. Um die teure Strafe zu umgehen, blieb uns nichts anderes übrig, als zum Bahnhof zu laufen. Hier erwarben wir ein beliebiges Bahnticket, das wir an diesem Tag gar nicht benötigten, nur damit wir es im Parkhaus vorzeigen konnten. Als Ortsfremde kannten wir uns natürlich nicht mit den Strecken und Preisen aus. Deshalb wählten wir sicher nicht die günstigste Variante aus. Am Ende waren uns aber 6 Euro für zwei Stunden Parken immer noch lieber als mindestens 50 Euro Strafe.
Keinerlei Einsicht seitens der ÖBB
Nach dem Urlaub wendeten wir uns prompt per Mail an den Kundenservice der ÖBB. Wir gaben dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt trotzdem noch einen Vertrauensvorschuss. Obwohl man offensichtlich stark darauf bedacht war, den Eindruck eines freien Parkens aufrechtzuerhalten, gingen wir noch von einfachen Designfehlern aus. Sicher würde die ÖBB bei einem Hinweis darauf, wie missverständlich der Aufbau besonders für Ortsfremde wirkt, Nachbesserungen anstreben. Uns hätte sogar eine dieser Standardantworten gereicht, dass man unser Anliegen ernst nimmt und die Informationspolitik auf den Prüfstand stellt. Eine Entschuldigung für die Missverständnisse wäre natürlich auch schön gewesen.
Doch der Mitarbeiter der ÖBB, der sich auf unsere Mail hin meldete, reagierte vollkommen anders. Er verwies auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und erklärte, dass diese allen Anforderungen genügen würden, was auch rechtlich geprüft und abgesichert worden wäre. Obwohl wir nicht die einzigen Parkgäste waren, die durch die Ausschilderung in die Irre geführt wurden, sah er keinen Nachbesserungsbedarf. Wir gaben zu bedenken, dass man mit dieser Intransparenz nicht nur notorische Falschparker bestraft, sondern auch eine Vielzahl von völlig ahnungslosen Ortsunkundigen und gar eigene Kunden kriminalisiert und abzockt (siehe z. B. hier und hier). Aber auch dieser Einwand wurde völlig ignoriert.
Wir blieben hartnäckig und sammelten in einer weiteren Mail Vorschläge für eine bessere Beschilderung. Außerdem haben wir eine überarbeitete Variante für den Text der Infotafel angehängt, mit der Nachfrage, ob damit die Parksituation nicht wesentlich eindeutiger und unmissverständlicher beschrieben wäre. Da aber auch auf Nachfassmails keinerlei Reaktion mehr erfolgte, veröffentlichten wir unsere Beschwerde schließlich im Internet (siehe hier).
Fazit: Vertrauen verspielt und Kunden verprellt
Es hat uns schockiert, wie wenig sich ein angeblich kundenorientierter Verkehrsbetrieb wie die ÖBB für Hinweise zur Verbesserung der Transparenz ihrer Nutzungsbedingungen interessiert. Anstatt Korrekturen für mehr Klarheit anzustreben, wurden inzwischen viele weitere Parkhäuser auf dasselbe schrankenlose System umgestellt. Ob man dabei zumindest die Kurz-AGBs am Eingang so überarbeitet hat, dass keine Missverständnisse mehr passieren können, wagen wir zu bezweifeln. Schließlich muss die ÖBB die teuren Umbaumaßnahmen irgendwie refinanzieren, und mit unbewussten Falschparkern lässt sich ein gutes Geschäft machen. Selbst wenn pro Tag nur fünf Autofahrer darauf hereinfallen, werden im Monat immerhin zusätzliche Mehreinnahmen in Höhe von etwa 7.500 Euro generiert.
Diese Strategie mag kurzfristig profitabel sein, doch langfristig verliert die ÖBB das Vertrauen ihrer Kunden. Außerdem erweist sie der Umwelt und den Innenstädten einen Bärendienst. Früher waren die Parkhäuser vollständig ausgelastet. Jetzt stehen nur noch wenige Bahnreisende dort, was wir in St. Pölten selbst sehen konnten. Dadurch wird jede Menge Parkraum verschwendet und die Parksituation in den Innenstädten drastisch verschärft. Es mussten sogar neue Parkplätze geschaffen und dafür Flächen versiegelt und Bäume gerodet werden. Dabei hätte man die ÖBB-Parkhäuser auch für Nichtkunden zum normalen Parkpreis zugängig machen können, anstatt diese mit Strafzahlungen zu vergraulen oder zum unnötigen Kauf von Bahntickets zu verdonnern.
Außer Beschwerden lässt sich gegen solche Abzockunternehmen leider nicht viel ausrichten, da sie sich im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegen. Uns bleibt die ÖBB aber dauerhaft als entweder beratungsresistent oder zur Maximierung des Profits absichtlich intransparent in Erinnerung. Ob man solche Verkehrsbetriebe auch noch mit dem Kauf von Bahntickets unterstützen sollte, muss jeder selbst wissen. Wir entscheiden in solchen Fällen sprichwörtlich mit den Füßen (oder in diesem Fall mit den Reifen). Das heißt: Obwohl wir sonst möglichst umweltschonend reisen, werden wir die ÖBB bei unseren nächsten Urlauben konsequent meiden.
Ein Tipp noch an alle, die ähnliche Erfahrungen vermeiden möchten. Lest euch Schilder auch in vermeintlich kostenlosen P+R-Anlagen genau durch und prüft sie kritisch. Selbst unter Zeitdruck solltet ihr stets auf das Kleingedruckte achten, dies gilt im Übrigen nicht nur bei Parkplätzen, sondern auch bei anderen AGBs. Besonders Verträge mit der ÖBB sollten ganz genau unter die Lupe genommen werden, man kann ja nie wissen, ob nicht schon die nächste verklausulierte Falle in Planung ist.
Weiterführende Artikel
Öffentlicher Personenverkehr – der Umwelt Freud’, des Reisenden Leid
Quellen
Auswärtiges Amt – Informationen für Urlauber zu Österreich
ADAC – Informationen für Urlauber zu Österreich
Google Street View – Foto des Eingangsbereichs des P+R-Parkhauses St. Pölten
Kronen Zeitung – Ärger über Strafe auf Park-&-Ride-Parkplätzen
Heute – Neues Video-System holt Park-Chaos in St. Pölten zurück
Kurier.at – Bäume fallen für Parkplatz: Protest gegen Projekt in St. Pölten
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