(Plastik-)Freiheit für Obst und Gemüse!

In Plastik verpacktes Gemüse im Supermarkt
Jede Menge verpacktes Gemüse direkt unter der Unverpackt-Werbetafel (Foto: GehtSoGarNicht)

Der umweltbewusste Verbraucher steht im Supermarkt oder Discounter beim Kauf von Obst und Gemüse vor einem Problem. Fast alles ist in Plastik eingehüllt! Und das ist nicht nur in vereinzelten Filialen der Fall, sondern überall. Was mich persönlich schon seit Jahren stört, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) getestet und bestätigt. Demnach ist meist deutlich mehr als die Hälfte der Früchte in irgendeiner Form verpackt – wobei in Discountern die Lage am schlimmsten ist.

Verpacktes Gemüse im Supermarkt
Jede Menge verpacktes Gemüse direkt unter der Unverpackt-Werbetafel (siehe weiter unten) (Foto: GehtSoGarNicht)
Verpackungen sind nicht immer sinnlos

Zunächst sollte man erwähnen, dass nicht jede Verpackung unnütz und überflüssig ist. An manchen Stellen ist sie sogar unerlässlich. Chicorée zum Beispiel würde sich im Licht schnell braun verfärben und Bitterstoffe ausbilden. Äpfel und Bananen verströmen Ethylen, ein Gas, das umliegendes Obst schneller reifen und damit auch verderben lässt. Sie müssen deshalb entweder verpackt oder räumlich von anderen Früchten getrennt angeboten werden.
An anderer Stelle dient die Verpackung häufig der Vereinfachung des Einkaufsvorgangs. Eine Obstschale ist schnell gegriffen. Außerdem lässt sich Beerenobst schlecht lose in der Auslage präsentieren. Zu schnell würden die kleinen Früchte wegrollen und in irgendwelche Ritzen fallen. Außerdem könnten beim Entnehmen mit den Händen andere Früchte beschädigt werden. Dass derartiges Obst in Schalen abgepackt wird, ist durchaus verständlich. Klar definierte Mengen ersparen außerdem das Wiegen. Das Kassieren geht so deutlich schneller.

Der Handel bringt auch häufig als Erklärung, dass die Verpackung der Hygiene und dem Schutz vor Druckstellen, Fäulnis und Verderb dient. Meist wird auch noch argumentiert, dass damit der Verschwendung von Lebensmitteln entgegengewirkt wird. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn Druckstellen können bei manchen Früchten auch gerade durch die zusammengedrückte Lagerung in der Kunststoffschale entstehen. Außerdem schwitzt die Ware gerade im Sommer unter der Plastikfolie, wodurch sie wiederum schneller verdirbt. Schlechte Früchte sorgen dann dafür, dass die ganze Verpackung weggeworfen werden muss, weil sie entweder gar nicht mehr gekauft wird oder der Kunde den Schimmel zu Hause entdeckt und die Ware umtauscht.

Verflixt und eingeschweißt, das ist zu viel des Guten

Paradoxerweise werden auch viele Bioprodukte eingeschweißt, in manchem Discounter präsentiert sich sogar die ganze Bioabteilung in Plastik. Damit soll eine Verschmutzung der Ware mit Pestizidrückständen von konventionellem Obst und Gemüse verhindert werden. Hintergrund ist Artikel 28 der EU-Verordnung 2018/848 zu Biolebensmitteln, der besagt, dass Verkäufer Maßnahmen ergreifen müssen, „[…] die verhältnismäßig und angemessen sind, um Risiken der Kontamination […] von ökologischen/biologischen Erzeugnissen durch nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe zu vermeiden.“
Oft wird auch behauptet, dass eine Verpackung zur eindeutigen Unterscheidung verpflichtend ist. In o. g. Verordnung findet sich dazu nichts, lediglich eine Kennzeichnung ist notwendig, die aber auch z. B. als Aufkleber auf dem Produkt angebracht werden kann. Noch besser wäre eine räumliche Trennung von Bio- und konventionellen Produkten. Eigene Regale hätten den zusätzlichen Vorteil, dass eine Kontamination nur noch durch den Kunden selbst stattfinden könnte.

Ein schönes Beispiel für absolut überflüssige Verpackung ist die Pomelo. Sie ist meist in Plastikfolie eingeschweißt und befindet sich außerdem noch in einem Tragenetz. Wikipedia schreibt hier dazu, dass die Folie das Austrocknen und Schrumpfen der Früchte verhindert und für ein hübsch glänzendes Äußeres sorgt. Andererseits besitzen Orangen, Grapefruits usw. – zumindest in Deutschland – keine Schutzfolie. Warum verzichtet man also nicht generell darauf? Ist ein Schönheitsideal wirklich so viel zusätzlichen Müll wert? Sogar das Tragenetz ist zwar praktisch, jedoch nicht zwingend notwendig.

Dass es noch viel absurder geht, zeigt dieser Beitrag mit „Verpackungsideen“ aus aller Welt:

Der Verpackungsirrsinn ist also ein globales Problem. Umso wichtiger ist es, dagegen vorzugehen.

Warum man doch verpacktes Obst und Gemüse kauft

Nehmen wir stattdessen loses Obst und Gemüse, lässt es sich besser den eigenen Bedürfnissen anpassen. Gerade Singlehaushalte benötigen in der Regel keine Kiloware. Und man kann den gewünschten Reifegrad wählen.
Der Nachteil ist, dass jede Frucht von vielen Händen angefasst und evtl. mit Krankheitserregern oder den oben erwähnten Pestizidrückständen kontaminiert wird. Wer wie empfohlen Obst und Gemüse vor dem Verzehr gründlich wäscht, der braucht sich aber keine Sorgen zu machen.

Ein viel größeres Hindernis, auf das der vzbv ebenfalls aufmerksam machte, ist der Preis. Da bis auf wenige Ausnahmen die lose Ware deutlich teurer ist (ca. 17 %), greift man am Ende doch häufig zur günstigeren Plastikschale. Besonders Alleinerziehende und Menschen mit geringem Einkommen sind somit auf die verpackte Ware angewiesen, auch wenn ihnen die Umwelt am Herzen liegt und diese Vorgehensweise ihrer inneren Überzeugung widerspricht. Michael Knobloch, Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg, spricht mir aus dem Herzen: „Händler, die mehr Geld für unverpacktes Obst und Gemüse verlangen, ohne dass dieses qualitativ besser ist, tun weder Verbrauchern noch der Umwelt einen Gefallen. Wer umweltfreundlich einkaufen will, darf dafür nicht zusätzlich zur Kasse gebeten werden.“

Unverpackt als neuer Trendbegriff
Werbung mit schon immer unverpackten Früchten
Werbeprospekt (Urheber: Netto
Marken-Discount AG & Co. KG)

Über die genauen Hintergründe dieser Preisunterschiede kann ich nur spekulieren. Während sich die Händler hinter einem angeblich höheren personellen oder technischen Aufwand für Wiegen, Zählen etc. verstecken, scheint viel mehr die aktuelle Popularität des Verzichts auf Verpackungen für Verteuerungen ausgenutzt zu werden. Der Hype ist nicht unbemerkt geblieben und so sind manche Discounter neuerdings dazu übergegangen, alles Mögliche als UNVERPACKT anzupreisen, auch Früchte wie Ananas, Mangos (wie im nebenstehenden Beispiel) oder Granatäpfel, die es dort noch nie verpackt gegeben hat. Man versucht das Schlagwort wohl so oft es geht unterzubringen, wie unsinnig es auch sein möge. Dauerhaft günstige Preise für umweltfreundliche Produkte wären eine bessere Werbung als dieses plakative Pseudo-Umweltbewusstsein.

Nackte-Tatsachen-Werbung
(Urheber: Netto Marken-Discount
AG & Co. KG)

Ergänzung vom 18.10.2019: Kurz nach Fertigstellung dieses Artikels hat Netto sogar noch einen draufgesetzt und viel Geld für eine Plakat- und Printmedienwerbung mit nackten Models (zumindest beiderlei Geschlechts) ausgegeben. Mag sein, dass damit tatsächlich ein paar Leute auf das Problem aufmerksam gemacht werden, aber wenn man die Reaktionen in den sozialen Medien betrachtet, scheint dieser Schuss eher nach hinten loszugehen. Außerdem will die zweiwöchige Werbekampagne auch irgendwie refinanziert werden. Es steht also zu befürchten, dass am Ende wieder in der verkehrten Richtung an der Preisschraube gedreht wird.

Es gibt auch gute Ansätze

In manchen Läden ist man z. B. bei Beeren von Kunststoffträgern auf Kartons aus Recyclingmaterial umgestiegen, andere verwenden inzwischen kompostierbare Folien, die für den Kunden aber schlecht von herkömmlichen aus Plastik zu unterscheiden sind. Eine sinnvolle Variante ist auch das „Natural Branding“, bei dem die komplette Verpackung eingespart wird, weil der Barcode direkt auf der natürlichen Schale der Frucht angebracht wird. Außerdem haben Mehrwegnetze inzwischen in viele Geschäfte Einzug gehalten, die die in der Kritik stehenden Hemdchentüten (Abreiß-/Knotenbeutel) ablösen sollen. Andere Läden verlangen inzwischen einen Cent pro Einwegbeutel, immerhin ein Anfang, aber leider bei weitem noch nicht genug.

Die Qual der Wahl

Wer zugleich umwelt- und preisbewusst einkaufen will, muss trotzdem weiterhin die Augen offen halten. Wenn es einen Wochenmarkt in der Nähe gibt, kann man dort je nach Saison und Tageszeit evtl. ein Schnäppchen machen. Auch Bio- oder Hofläden bieten lose regionale Produkte an, die nicht mit Pestiziden verseucht sind. Diese sind aber mitunter recht teuer. Wer den Supermarkt dem Discounter vorzieht, findet dort meist mehr unverpackte Früchte vor (siehe Studie des vzbv). Außerdem ist die Auswahl an sich größer. Hier muss jeder für sich die beste und günstigste Möglichkeit finden. Plastikverzicht sollte aber wegen der Energiebilanz auf keinen Fall durch wesentlich längere Autofahrten erkauft werden.

Es lohnt sich auch, sich im Vorhinein über den Transport der Leckereien Gedanken zu machen. Man kann durchaus versuchen eigene Stoffbeutel und Einkaufskörbe zu verwenden, wie dieser Praxistest beweist. Laut aktueller Rechtslage müssen Händler fremde Behältnisse aber nicht zulassen, und es sollte immer klar ersichtlich sein, dass man nicht vorhat, einen Ladendiebstahl zu begehen. Die eigene Handtasche oder der Rucksack bleiben also tabu. Bei Mehrwegnetzen ist es ratsam, die Ware (wie auch bei Abreißbeuteln üblich) sortenrein einzufüllen, um beim Abkassieren zusätzliches Berühren zu vermeiden und Zeit zu sparen. Will man abwechslungsreich einkaufen, braucht man natürlich entsprechend viele Netze.

Fazit

Ich denke, dass die Wirtschaft trotz erster guter Ansätze nicht genug zur Müllvermeidung beiträgt und der Staat seine Möglichkeiten nicht ausschöpft. Wer keinen Markt oder Unverpackt-Laden in der Nähe hat oder mit wenig Geld auskommen muss, ist häufig noch zum Kauf von verpackter Ware gezwungen. So kann man dem Problem aber nicht zu Leibe rücken. Denkbar wäre für mich die Einführung einer Verpackungssteuer, welche die Händler schon beim Einkauf zahlen müssen. Auch ein Pfandsystem ähnlich dem Dosenpfand kann ich mir vorstellen. Für die Kunden sollte die lose Ware am Ende jedenfalls nicht teurer sein, sondern zumindest den gleichen Preis wie die eingeschweißte haben. Wenn sie sogar noch günstiger wäre, würden auch für notorische Umweltmuffel entsprechende Anreize geschaffen.

Weiterführende Artikel

Mülltrennung – Chaos statt Logik
Aus den Augen, aus dem Sinn – aber nicht aus der Welt
Wenn die Weltmeere im Müll ertrinken…

Quellen

Verbraucherzentrale Bundesverband – o. g. Untersuchung zum Anteil an verpacktem Obst und Gemüse und den Preisunterschieden zu losen Früchten
Neue Westfälische – Artikel zum Verpackungswahnsinn im Supermarkt
AllMyDeer – Blogartikel zu Plastik bei Bio-Lebensmitteln
EU-Verordnung 2018/848
Verbraucherzentrale NRW – Artikel zum Verwenden eigener Behälter im Supermarkt
NABU – viele Statistiken zum Thema
FOCUS – Artikel zur anstößigen Werbekampagne von Netto

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