Wenn die Weltmeere im Müll ertrinken…

Plastik im Meer
Treibender Plastikmüll im Meer (Copyright: NOAA/CC0 Public Domain)

2017 schockierte Unterwasserfotografin Caroline Power mit Bildern nahe der Karibikinsel Roatán (Honduras). Statt türkisblauen Wassers fand sie einen riesigen Müllteppich vor. Unzählige Tüten, Plastikbesteck, Schuhe und sogar einen Fernseher konnte sie entdecken. Aber nicht nur die Karibik ist betroffen, besonders dramatisch ist die Lage auch am Mittelmeer. Laut Report des WWF (siehe Artikel in den Quellen) landet dort jedes Jahr mehr als eine halbe Million Tonnen Plastikmüll. Das wären umgerechnet etwa 34.000 Plastikflaschen pro Minute. Die Statistiken sind erschreckend: Wenn wir so weitermachen, wird es Schätzungen zufolge im Jahr 2050 mehr Plastik in den Meeren und Ozeanen geben als Fische.

Eine Müllkippe im Ozeanwie kann das sein?

Im Gegensatz zu früheren Zeiten besteht ein Großteil unseres heutigen Mülls aus anorganischen Stoffen wie Plastik, Metall und anderen chemischen Verbindungen. Diese Stoffe werden auf natürlichem Wege nicht oder nur sehr langsam abgebaut:

  • Getränkedosen: 80 bis 200 Jahre
  • Alufolie: bis zu 700 Jahre
  • Glas: mindestens 4.000 Jahre, wenn es sich überhaupt zersetzt
  • Kunststoff: verrottet laut Umweltbundesamt überhaupt nicht, hier entsteht maximal gefährliches Mikroplastik als Abrieb (s. u.))

Gelangt solcher Müll in die Gewässer, kann auch deren Selbstreinigungskraft nichts dagegen ausrichten. In den Ozeanen und den Randmeeren sammelt sich der Unrat, der vom Wind mitgerissen oder aus Flüssen eingespült wird. Leichter Müll wird von den Strömungen erfasst und gelangt in die großen Meereswirbel. Treibt der Müll erst einmal in ihrem tieferliegenden Zentrum, dann kann er dort für lange Zeit gefangen bleiben. Nur wenn er irgendwann den Rand erreichen sollte, besteht die Chance, dass er an irgendeiner Küste angespült wird.

Seeleute wissen schon lange um das Phänomen, dass sich in den Meereswirbeln schwimmende Objekte wie Algenteppiche ansammeln. Die Sargassum-Algen gaben z. B. der Sargassosee ihren Namen, in der sich heute einer der 5 gigantischen Müllstrudel unserer Erde dreht.
Diese befinden sich übrigens allesamt in der Nähe des Äquators, weil hier die Meeresströme der Nord- und Südhalbkugel aufeinandertreffen. Der größte, der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik, wird auf eine Ausdehnung von 700.000 bis mehr als 15.000.000 km² geschätzt. Er könnte also sogar größer als Europa sein.

Woher kommt all der Plastikmüll?
Plastik im Meer
Treibender Plastikmüll im Meer (Copyright: NOAA/CC0 Public Domain)

Laut einer Studie von Greenpeace stammen etwa 80 % des in den Ozeanen treibenden Plastikmülls vom Festland. Durch die starke Besiedlung der Küstenregionen und Flussauen und den Badetourismus entstehen viele Abfälle direkt in Wassernähe. Besonders problematisch sind die omnipräsenten Einwegverpackungen, die nach einmaliger Benutzung sofort in einer (vielmals offenen und damit windanfälligen) Mülltonne oder – noch schlimmer – einfach irgendwo in der Gegend landen. Sturm, Regen und Hochwasser sorgen dafür, dass ein Teil dieses Unrats früher oder später direkt oder über Flüsse seinen Weg ins Meer findet. Laut Greenpeace handelt es sich weltweit um bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikabfälle jährlich.

Zu einfach liegen gelassenen, in die Gegend geworfenem oder falsch entsorgtem Müll findet ihr mehr Informationen in diesem Artikel: Aus den Augen, aus dem Sinn – aber nicht aus der Welt

Die Hauptverursacher sind aber erstaunlicherweise nicht unmittelbar die westlichen Industrienationen, sondern die südostasiatischen Länder. Ein Grund ist sicher der enorme Konsumanstieg und die boomende Wirtschaft gerade in China und Thailand. Leider wurden bei Industrialisierung, Massenproduktion und Massentourismus nur wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Die Entsorgungsproblematik hat man wegen der Kosten für die Industrie völlig außer Acht gelassen oder nur stiefmütterlich behandelt. Nicht einmal die Hälfte des entstandenen Plastikmülls wird eingesammelt. Häufig landet er einfach ungesichert auf riesigen Deponien, sehr oft sogar in direkter Nähe von Gewässern. Die Witterung hat hier leichtes Spiel und kann nach und nach immer mehr Plastikteile ins Meer transportieren.

Warum der fernöstliche Müll zu großen Teilen aus dem Westen kommt

Das fernöstliche Müllproblem wird immens dadurch verstärkt, dass auch Länder mit gutem Abfallsystem einen Teil ihres Recyclingproblems aus Kostengründen auslagern. So abstrus es klingt, aber Müllexport ist heutzutage leider ein profitables Geschäft. Nachdem China über Jahrzehnte den schwer verwertbaren Müll des Westens aufgekauft hat, gab es dort 2017 aufgrund der Umweltschäden endlich einen Importstopp. Schnell wurden aber andere Abnehmer in Südostasien gefunden. Die deutschen Plastikmüllexporte nach Malaysia haben sich laut Angaben der Bundesregierung in den letzten 10 Jahren verzehnfacht. 2018 wurden 130.000 Tonnen Müll in das Entwicklungsland verschifft. Erlaubt ist dabei eigentlich nur der Verkauf von eindeutig wiederverwertbarem Müll, bei dem die Zielländer durch Recycling vor Ort an benötigte Rohstoffe gelangen können. Leider haben Recherchen (z. B. von Greenpeace) ergeben, dass immer wieder schwer recycelbare Kunststoffgemische oder völlig unsortierter Plastikmüll exportiert werden.

Außerdem nehmen arme Länder des Geldes wegen derartig große Müllmengen an, dass die Recyclinganlagen sie nicht mehr bewältigen können. In Malaysia brannten über Monate hinweg Plastikmüllberge unter freiem Himmel und verschmutzten Luft, Wasser und Böden. Darunter befand sich auch eine große Menge an Verpackungen mit eindeutig deutscher Herkunft (z. T. auch Haushaltsabfälle aus dem dualen System).

Fazit: Ein nicht zu unterschätzender Teil des Mülls, der aus Südostasien in die Ozeane gelangt, hat seine Ursprünge eigentlich in Deutschland und anderen westlichen Nationen.

Weitere Ursachen

Ein weiterer wesentlicher Verursacher von Verschmutzungen gerade auch in Nord- und Ostsee ist die Schifffahrt. Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs hat ermittelt, dass auf einem Stückgutfrachter täglich 49 kg ladungsbedingter Müll plus 3 kg Müll pro Besatzungsmitglied anfallen. Nicht selten landet dieser Unrat einfach im Meer, denn das erspart den Unternehmen Entsorgungskosten. Auch Netze und andere Utensilien aus der Fischerei werden gern im Meer versenkt. Die Gefahr, ertappt und belangt zu werden, ist relativ gering. Die Strafverfolgung hat schon alle Hände voll damit zu tun, direkte Verklappungsfahrten zu verfolgen, die keinem anderen Zweck dienen als der Entsorgung von Müll, Schweröl, Chemikalien oder gar radioaktiven Stoffen im Meer. Und selbst diese illegalen Praktiken werden trotz internationaler Regelungen im MARPOL-Abkommen nicht überall gleich geahndet.

Aber auch der Massentourismus spielt eine Rolle, besonders Kreuzfahrtschiffe haben einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Verschmutzung der Meere. Obwohl von diesen in der Regel kein Plastikmüll absichtlich eingeleitet wird, dürfen zumindest auf offener See ganz legal Lebensmittelabfälle über Bord gekippt werden. Diese sind zwar an sich nicht giftig, aber die schiere Menge, die gerade durch die beliebte Buffetverpflegung anfällt, macht sie zu einer Gefahr. Sie führen zu einer Überdüngung, die das Algenwachstum fördert und einen Sauerstoffmangel im Wasser verursacht. Auf die eingeleiteten Abwässer aus Duschen, Spülen und Toiletten und die Umweltbelastung durch das als Kraftstoff verwendete giftige Schweröl möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter eingehen.

Zudem landet auch noch Plastikmüll im Wasser, den wir gar nicht mit bloßem Auge wahrnehmen: das sogenannte Mikroplastik. Es befindet sich z. B. in Kleidungsstücken aus synthetischen Fasern oder Kosmetikprodukten. Diese winzigen Teilchen gelangen über das Abwasser in die Flüsse und Ozeane. Fische und andere Meerestiere nehmen das Mikroplastik auf und am Ende der Nahrungskette haben wir es wieder auf dem Teller. Mit diesem Problem beschäftige ich mich aber in einem anderen Artikel näher.

Folgen der Meeresvermüllung
Totes Albatrosküken mit Plastik im Magen
Die unveränderten Mageninhalte eines toten Albatros-Jungvogels, aufgenommen im September 2009 im Midway Atoll National Wildlife Refuge im Pazifik mit Plastik-Treibgut, das dem Jungtier von seinen Eltern gefüttert wurde. (Urheber: Chris Jordan (via U.S. Fish and Wildlife Service Headquarters), Quelle: © WikimediaCommons, Lizenz: CC BY 2.0)

Jährlich sterben 1 Millionen Seevögel und 100.000 andere Meereslebewesen durch Müll. Tiere können sich an scharfkantigen oder spitzen Müllteilen verletzen. Kleinere Arten können sich auch darin verfangen oder steckenbleiben. Im schlimmsten Fall droht sogar eine Strangulation, zum Beispiel an Sixpack-Ringen oder aufgegebenen oder verlorenen Fischernetzen. Laut Umweltbundesamt sind 136 Tierarten bekannt, die sich regelmäßig in Müllteilen verstricken oder strangulieren.
Manche Meerestiere oder Seevögel verwechseln die Müllteile aber auch mit Nahrung und fressen sie. Da Plastik nicht verdaut werden kann, verstopfen gerade große Teile nach und nach den Magen. Die Tiere fühlen sich tatsächlich satt, verhungern aber mit vollem Magen. So fand ein US-amerikanischer Ozeanograph 2005 in einem verendeten Albatrosjungtier etwa 100 Plastikteile, mit denen es von den Eltern gefüttert worden war. Im März 2019 wurde ein toter Wal untersucht, der an 40 kg Müll (hauptsächlich alten Fischernetzen) in seinem Magen verendet war.

Plastikteile im Meer verschwinden nicht einfach. Durch Witterung, Reibung oder Kollisionen lösen sich kleinere Partikel ab, die von Fischen aufgenommen werden, über die das Mikroplastik auf unseren Tellern und in unseren Mägen landet. Bedenklich ist dabei besonders, dass diese Partikel durch ihre spezifische Struktur auf ihrer langen Reise durch die Ozeane jede Menge Giftstoffe wie zum Beispiel Ölrückstände anreichern. Eine Untersuchung ergab, dass Mikroplastik drei- bis viermal mehr Giftstoffe enthielt als der Meeresboden in der unmittelbaren Umgebung. Na dann, guten Appetit!

Was kann man als Einzelner tun?

Ein komplett plastikfreies Leben ist ein hochgestecktes Ziel, das wohl nur die Wenigsten erreichen werden. Aber es gibt eine Reihe an Möglichkeiten, wie man seinen Plastikverbrauch reduzieren kann. Einige nützliche Hinweise sind in diesem Artikel hier zusammengefasst:

Wer gegen Müll aktiv werden will, der kann sich an diversen Aufräumaktionen beteiligen oder selbst eine organisieren. Als Beispiel sei der International Coast Cleanup Day genannt, der jedes Jahr Mitte September stattfindet und in Deutschland von NABU und NAJU organisiert wird. 2020 fanden trotz COVID-19 31 Aktionen statt, bei denen Uferabschnitte (hauptsächlich an Elbe und Rhein) von rund 3.700 kg Müll befreit wurden.

Weiterführende Artikel

Aus den Augen, aus dem Sinn – aber nicht aus der Welt
Mülltrennung – Chaos statt Logik
(Plastik-)Freiheit für Obst und Gemüse!
Zwischen Kult und Kommunismus – Kuba und der Müll

Quellen

BUND – Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland
Umweltbundesamt
Wikipedia – Artikel zu Plastikmüll in den Ozeanen
Ökosystem Erde – Artikel zur Wasserverschmutzung im Allgemeinen
CareElite – Artikel zu den Müllstrudeln in den Ozeanen
Greenpeace – Factsheet zu Plastik im Meer
WWF – Artikel zur Strandvermüllung am Mittelmeer
ZDF – Artikel zu Lebensmittelabfällen von Kreuzfahrtschiffen
Süddeutsche Zeitung – Artikel zu den drastischen Auswirkungen des Müllexports am Beispiel von Malaysia
Die Welt – Artikel zum geplanten Exportverbot für Plastikabfälle

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